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27.08.2022

99 Dinge, die wir an Oberösterreich lieben


Hirsch und Gams waren früher für Adel und Kaiser: Zehn Jahre warten auf eine Lederhose

Samstag, 27. August 2022
von Peter Affenzeller

Geduld braucht bei so einer Lederhose nicht nur der Erzeuger, sondern auch der Käufer: 40 Stunden Handarbeit stecken allein im Zuschnitt und Nähen der maßgefertigten Stücke aus Hirsch- oder Gamsleder, über 100 Stunden in den aufwendigen Stickereien traditioneller Muster. "Wir haben 3-, 5-, 7- und 9-nahtige Hosen, zwei- oder vierblumig", erklärt Daxner stolz: Die Nähte sind gerade oder gewellte Ziernähte neben der eigentlichen Naht, die die Hose zusammenhält. Die "Blümel" sind Ornamente nach teils uralten Vorlagen: Sie stammen zumindest aus 1840 und werden heute noch genauso mit Kreidestaub auf das Leder übertragen wie früher. "Dann zieht man die Konturen mit Gummilösung schwarz nach, damit sie sich beim Sticken nicht verwischen", so Daxner.

Gestickt wird von Hand und im Salzkammergut traditionell mit grünem Garn. "Da geht's nicht um Schnelligkeit, sondern um die Genauigkeit", erklärt der Meister: Jeder Stich muss sitzen, damit die Naht exakt gleichmäßig aussieht und die Ornamente sich schön im Leder emporwölben. Eine Besonderheit ist die so genannte S-Laub- Naht: Sie besteht aus parallelen erhabenen Strichen und wird nach Augenmaß genäht, ein guter Sticker schafft vielleicht Elemente der Naht in zehn Minuten - von mehreren hundert, die auf einer Hose sein können. Daxner stickt sie am liebsten zwischen Geschäftsschluss und zwei, drei Uhr früh, "weil da stört mich niemand".

Kunden mit Privatjet

Daxner hatte am 1. August vor 27 Jahren seine Lehre begonnen und 2012 das Geschäft vom Vorgänger übernommen. Inzwischen ist er in ein neues Haus im Ebenseer Zentrum übersiedelt, Frau und drei Kinder wohnen im ersten Stock und er selbst verbringt die meiste Zeit in Geschäft und Werkstatt: "Urlaub hab ich nie viel gehabt, heuer gehen sich das erste Mal zwei Wochen aus", sagt Daxner: Bei der Geschäftsübernahme betrug die Wartezeit auf eine seiner Lederhosen zehn Jahre, mittlerweile hat seine einzige Stickerin leider aufgehört und die Lieferzeit ist auf 14 Jahre angewachsen.

Ausgelastet bis zur Pension

"20 Aufträge kann ich ungefähr noch annehmen, bevor ich in Pension gehe", sagt Daxner mit einem Schmunzeln: Zwischendurch seien eben auch Änderungen und Reparaturen zu machen oder wie jetzt gerade Riemen-Geschirre für eine Glöckler-Gruppe, an denen sie ihre schweren Schellen umhängen können. Daxner war selbst lange Mitglied einer Glöcklerpass, nebenbei spielt er noch in der Salinen-Musik, "aber immer weniger, weil ich für die Proben keine Zeit mehr hab".

Die handgenähten Ebenseer Lederhosen tragen Promis und Wirtschaftsmagnaten aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Frankreich: "Es ist schon öfter ein teurer Sportwagen vor der Tür gestanden und ein Franzose ist im Privatjet angereist", verrät Daxner, nennt aber keine Namen: 2000 Euro und mehr habe man ihm schon geboten für einen bevorzugten Liefertermin, aber bei ihm gibt es keine "fast lane" für die Reichen: "Alle warten gleich lang und alle freuen sich, wenn sie dann ihre Hose bekommen", sagt Daxner. Nur für seine Buben wird eine Ausnahme gemacht, damit sie für Erstkommunion und Firmung nicht warten müssen. Eine 9-nahtige sei die schönste Hose derzeit im ganzen Geschäft, freut sich der leidenschaftliche Handwerker und präsentiert das gute Stück. Das Leder für die Hosen stammt von einer Gerberei, die "sämisch" gerbt - also mit Fischtran, nicht mit Chrom. Dadurch wird das Leder besonders weich und verträgt später auch Nässe, ohne beim Trocknen bretthart zu werden. Bis zu drei Monate, je nach Witterung, dauert die Herstellung des Leders, das noch von Hand mit Bürsten gefärbt wird.

Knöpfe zeigen Herkunft an

An den Knöpfen erkennt man übrigens den Unterschied zwischen dies- und jenseits des Pötschen: Im Salzkammergut trägt man Hirschhornknöpfe, im Ausseerland solche aus schwarzem Kuhhorn. Früher sei Hirsch- und Gamsleder nur Adel und Kaiserhaus vorbehalten gewesen, berichtet Daxner - heute könne jeder ab 4000 Euro eine Lederhose kaufen, die dann Generationen in der Familie bleibe: "Kürzlich war eine zur Reparatur da, die war 120 Jahre alt und noch gut beinand", berichtet er.

Das Leder passe sich dem Körper perfekt an, im Sommer kühl, im Winter warm und die Hose könne sogar bis zu acht Kilo "mitwachsen". Dabei hilft auch der Schlitzfleck im Kreuz, wo der Bund mit einem Schnurzug verstellt werden kann. Wichtig ist auch am rechten Oberschenkel der Messersack für den Feitel, mit einem Leistl mit Ornament außen, und am Hosenträger der Steg, wahlweise mit Blümel oder einer "Broschblume" aus Hirschhorn.